Alltagssexismus

Zwei Geschichten aus dem Leben

Ronja / Tanja

Erschienen in: Ausgabe 01-2021
Rubriken: Sexismus

Müde beim Männerfußball

von Ronja

Der Linienbus zuckelt gemächlich Richtung Stadion. Auswärtsspiel. Fast nur Männer im Bus. Ich sitze mit zwei Freunden da und staune über den noch nie gesehenen Winkel dieser Stadt. Dann die Haltestelle, wir müssen raus. Meine Freunde springen vor mir aus dem Bus, ich lasse mich etwas zurückfallen. Ich mag den Weg zum Stadion, die Stimmung kurz vor dem Spiel, und bin in Gedanken versunken, als du mich von der Seite anquatschst. „Hey, was machst du denn hier?“, fragst du, und schaust mich an. Freundlich zwar, aber ich ahne nichts Gutes. „Na, was wohl? Ich gehe zum Stadion.“ Du schaust mich weiter an und läufst neben mir her, ohne dass ich das irgendwie gewollt hätte. „Ah, okay. Und mit wem bist du hier?“ Ein Hoch auf mein ausgeprägtes Radar für den Verlauf derlei Situationen. „Alleine“, sage ich, aus Trotz, wohlwissend, was passieren wird. „Nee, jetzt sag doch mal. Mit wem bist du hier?“ Alter, nervst du mich. „Ich bin alleine, habe ich dir doch gesagt.“ Ein ungläubiger Blick, weitere Fragen dazu, was denn die wirklichen Umstände meines Stadionbesuchs seien. In mir kocht Wut hoch, dann werde ich müde.

Das nächste Mal sehe ich dich an der Tüte meines Freundes ziehen. Die zwei haben in der Zeit Bier geholt und stehen entspannt in der Gegend rum. Ich starre dich an, sage aber nichts, kenne die Performance linksradikaler (Fußball-)Dudes in der Kritik von Männlichkeit. Ich habe heute keine Lust auf die Debatten. Und werde einfach immer müder und stiller. Dass du Teil davon bist, checkst du nicht. So viele Frauen, die wegen Typen wie dir nicht mehr kommen, wegen Fragen wie deiner, wegen der konstanten Delegitimierung ihrer puren Anwesenheit. Oder sie kommen nur noch mit Männern. Unbegleitet ist frau Irritation. Mit Mann fragt immerhin niemand - aber auch wirklich nichts mehr, denn dann interessiert frau nicht. Es steht ja ein Typ daneben, der wahrhaftige Grund ihres Stadionbesuchs. Und egal wie, ein Kampf ist es oft, einfach nur zum Männerfußball zu gehen.

Auf Arbeit

von Tanja

Mein Kollege (ein cis Mann, ich: eine cis Frau) beschwerte sich zuletzt in der Supervision, dass er ja nun schon vor mehreren Wochen einmal formuliert hatte, dass er gerne über den Teamzusammenhalt sprechen würde. In unseren (etwas chaotischen, prinzipiell überladenen) Teamtreffen schaffen wir es eigentlich nie, alles zu besprechen, was so zu besprechen wäre. Was auf die Agenda kommt, hat einerseits mit Dringlichkeit zu tun, und mit den Personen, die sich für ein Thema einsetzen und sich darum bemühen, dass es besprochen wird andererseits.

Besagter Kollege hatte nun schon einmal in einer Teamsitzung gesagt, dass er über den Teamzusammenhalt sprechen möchte. Und – ganz im Impetus des reflektierten, modernen Mannes – sein Anliegen nicht wiederholt, weil er will ja nicht zu viel Raum nehmen. Stattdessen aber wird erwartet, dass wir anderen in absoluter Aufmerksamkeit all seine Einwände aufnehmen und uns in seinem Sinne bemühen, sein Anliegen einzubringen. Hä?

Jungejunge, muss ich da den Kopf schütteln. Es geht in einer kritischen Auseinandersetzung mit Männlichkeit halt nicht darum, die gleiche Aufmerksamkeit nur mit anderen Mitteln zu erhalten. Echte Reflexion der eigenen Position heißt im Zweifel auch mal die eigenen Anliegen zurückzustellen und annehmen, dass andere auch wichtige Themen haben.